Diese Tatsache verdeutlicht den in den beiden Weltkriegen entstandenen kulturellen Schaden. Sehr viele Glocken wurden aus den Türmen geholt und zu Kanonen umgegossen, da sich die
Glockenbronze dafür eignet. Deshalb gibt es aber auch Glocken, die mit Ersatzstoffen damals aus der Not heraus gegossen wurden, wie z. B. Stahl oder die Briloner Sonderbronze. Stahlglocken haben einen harten Klang
und sind mächtig in ihrem Charakter im Vergleich zur weich klingenden Bronze. Bei Stahlglocken werden wiederum zwei Arten unterschieden: Einmal der Stahlgrauguß und zum zweiten der Gußstahlguß aus Bochum ( Bochumer
Verein ). Dabei haben Gußstahlglocken eine angenehme Eigenschaft: Sie sind fast unverwüstlich, überstehen Kirchturmbrände und nehmen einem falsches Läuten nicht so schnell übel, wo Bronzeglocken längst den Geist
aufgeben. Jedoch Stahlgraugußglocken haben nur eine Lebensdauer von 80 Jahren, weil diese durch eingeschlossenen Luftsauerstoff im Material von Innen nach Außen durchrosten. ( Quelle: Theo Fehn: Der Glockenexperte ).
Bei der Briloner Sonderbronze, die fast die gleichen Klangeigenschaften wie die normale Glockenbronze hat, ist der Zinnanteil durch Silizium ersetzt worden. Genauer gesagt: 92%Cu,
6.6%Si, 0.8%Zn, 0,4%Fe, 0.2%Pb. ( Quelle: Kurt Kramer: Glocken in Geschichte und Gegenwart ).
Weiter wurde die traditionelle Tonform durch Formsand ersetzt. Dadurch konnte der Briloner Glockengießer Herr Junker nach Kriegsende um ca. 1/3 wesentlich billiger produzieren und
wo bei anderen Gießereien nur ein Glockenguß im Monat war, hatte Herr Junker gleich 4 Stück. Darüber sind die Glockengießer heute noch sauer. Das Produkt war gut, hat aber den Nachteil, daß sich beim Gießen leicht
Rückstände im Metall bilden und die Glocken dann nicht so gut klingen. Teilweise wurde die Glockenschmelze auch schon mal mit anderen Beigaben gestreckt, z.B. mit Blei. Solche gestreckten Schmelzen kamen aber auch
schon früher vor. Wenn alte Glocken dumpf klingen, dann hat hier der Gießer in die eigene Tasche gewirtschaftet. Auch besonders “hochwertige” Streckmittel, also gespendetes Gold und Silber, verschwand oftmals nicht
im Schmelztopf, wie z.B. beim berühmten Attendorner Glockenguß, sondern auch in den Taschen der Gießer. Wegen der “billigen” Streckmitteln gibt es unter den Sonderbronzegeläuten neben guten Klangkörpern auch ein
paar besonders “ gute Krücken “. Das Gießen mit Sonderbronze ist also risikobehafteter und in unserer heutigen Zeit nicht mehr angemessen im Bezug auf die Reinheit und Perfektionierung des Klanges. Darum hat auch
diese Gießerei in den 60 Jahren den Glockenguß eingestellt und existiert heute nicht mehr.
Ähnliche Experimente machte eine Firma in Erding, die aber nur Silicium verwendete. Nachträgliche Tests in heutiger Zeit mit “hochwertigen Streckmitteln” wie Gold o.ä. ergaben aber
keine Verbesserung.
(Quelle: Firma Hans Lachenmeyer, Nördlingen Schweißwerk für Kirchenglocken)
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